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Mentaltraining! Oder: Was Hochleistungssport mit Prüfungen zu tun hat.

15.09.2020
Mentaltraining! Oder: Was Hochleistungssport mit Prüfungen zu tun hat.

Mentaltraining ist das Training des Gehirns, Erfolge zuzulassen. Wir haben oft das Problem, wochen- und monatelang gelernt und geübt zu haben, um dann im Moment der Prüfung festzustellen, dass wir nicht genug sind, nicht genug können, nicht genug wissen und überhaupt komplette Versager sind. Wie konnten wir jemals denken, dass wir das schaffen? Wir haben doch nie etwas geschafft, wenn's wichtig war. Kommt dir bekannt vor? Das ist dein Gehirn, das dir grad alle Wege zu einer bestandenen Prüfung verbaut. Aber warum ist das so, wenn wir doch so sehr bestehen wollen?

 

Der Grund liegt darin, dass dein Gehirn das glaubt, worauf du konditioniert bist, egal ob es wahr ist oder nicht. Jedes Gehirn hat seine eigene Realität und in der wird ein Genie zum Deppen, wenn er sich's nur lang genug einredet. Aber du bist kein Genie und deshalb schaffst du deine Schularbeit, Zentralmatura, Berufsreifeprüfung, Kompensationsprüfung, ... nie? Kleine Frage zwischendurch: Konntest du als 1 jährige*r einen Marathon laufen?

 

Du kannst dich sicherlich nicht mehr erinnern, aber ich kann dir garantieren, dass du ein paar Monate lang am Boden gerobbt bist, bis du überhaupt den ersten Schritt versucht hast. Ich kann dir auch garantieren, dass du ganz schön oft auf deinen Hintern gefallen bist, während du gehen gelernt hast. Was ist der große Unterschied zu jetzt? Jeder weiß, dass ein Kleinkind Jahre an Übung benötigt, um laufen zu können ohne alle paar Schritte hinzufallen. Dadurch werden Kinder von ihrem gesamten Umfeld ermutigt, zu üben. Jeder sagt ihnen, dass sie das schaffen können. Jeder ist davon überzeugt, dass das Kind eines Tages laufen kann. Das Kind übernimmt diesen Glauben und weiß somit ebenfalls unterbewusst, dass es eines Tages laufen können wird.

 

Hier die traurige Nachricht: Dieser Glauben wird ihm bereits in der Kindheit genommen. Die meisten von uns haben bereits in der Volksschule gehört, was sie alles nicht können. "Du bist halt nicht so gut in Mathe." "Das verstehst du nicht." "Das kannst du nicht." Kinder und sogar noch Jugendliche übernehmen dummerweise alles, was andere über sie sagen unhinterfragt als Fakt. Sagt man einem Kind, dass es kein Talent für etwas hat, wird es nie herausfinden, was es in diesem Feld erreichen könnte, weil es das nie versuchen wird. Diese "Fakten über uns" glauben wir dummerweise auch noch, wenn wir erwachsen sind und sie machen uns klein, verringern unseren Selbstwert und unser Selbstbewusstsein und behindern uns daran, alles zu erreichen, was wir wollen. Faktencheck: Schreib dir mal alles negative auf, was du denkst über dich zu wissen. Beispielsweise: Ich hab kein Talent zum Zeichnen. Dann male jeden Tag eines Monats eine einzige Stunde dasselbe Motiv. Dann sieh dir das erste und letzte Bild an. Hattest du wirklich kein Talent oder hast du nur noch nie gezeichnet?

 

Genau hier setzt Mentaltraining an: Es hat das Ziel, alte (und falsche) Denkmuster aufzubrechen und gegen neue, konstruktive Denkmuster zu ersetzen, um Erfolg überhaupt erst zu ermöglichen. Klingt nach Esoterik, ist aber Wissenschaft. Wie diverse Studien aus dem Hochleistungssport, aber auch aus der Gehirnforschung zeigen, hilft Mentaltraining nachweislich dabei, Ergebnisse zu verbessern. Es wird somit seit Jahrzehnten für die Wettkampfvorbereitung eingesetzt und hilft einerseits, Ängste abzubauen, andererseits jedoch auch, ganz spezifisch Schwächen abzubauen und auszugleichen. Wie hilft dir das jetzt bei deiner Matura? Ich verrate dir eine einfache Übung, die dich optimal auf den "Wettkampf Zentralmatura" vorbereiten und dir helfen wird, in der Prüfungssituation dein gesamtes Wissen aufzurufen.

 

Setz dich oder leg dich so hin, dass du dich entspannen kannst und atme, als würdest du schlafen. Atme tief ein und tief wieder aus, achte darauf, dass du in den Bauch atmest. So kannst du dich besser entspannen und dein Gehirn kriegt mehr Sauerstoff. Du kannst die Augen dabei schließen, musst aber nicht.

Wenn du entspannt bist und tief atmest (nimm dir für dieses Grundsetting wirklich Zeit, es kann auch nötig sein, diese Entspannung ein paar Mal zu üben bevor du weitergehst), stellst du dir deine Prüfung vor.

 

Stell dir vor, wie du den Raum betrittst, deinen Platz suchst und deine Sachen auf dem Tisch ausbreitest. Eine Aufsichtsperson ist ebenfalls da, sie beginnt zu sprechen und erklärt den Ablauf nochmals. Sieh dich um und sei dir bewusst, dass noch andere im Raum sitzen. Manche von ihnen sind so nervös und angespannt, dass du es förmlich spüren kannst. Andere wirken relativ entspannt. Fühl in dich hinein - wie fühlst du dich gerade? Bist du auch angespannt und nervös? Das musst du nicht sein. Atme ganz bewusst ein paar Mal tief ein und tief wieder aus. Spür, wie die Anspannung dabei immer kleiner wird. Hast du vielleicht sogar Angst? Frag dich, wovor du Angst hast. Sei dir dessen bewusst, dass dir nichts passiert, selbst wenn die Prüfung negativ ist. Die Welt dreht sich weiter, du bist weiterhin gesund, deiner Familie geht es weiterhin gut. Niemand wird von einem Säbelzahntiger gefressen, falls du ein leeres Blatt abgibst. Atme weiterhin tief und sag deinem Gehirn, dass Angst nicht nötig ist. Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest. Atme solange bewusst tief weiter, bis die Angst weg ist. Beobachte währenddessen, wie die Zentralmatura ausgeteilt wird. Sieh dir die Beispiele erst an, wenn du keine Angst mehr hast, auch wenn das ein paar Minuten dauert.

 

Du öffnest jetzt den Prüfungsbogen und siehst Beispiele, die du kannst. Du fängst gleich an zu rechnen und weil du nicht nervös bist und keine Angst hast, kann dein Gehirn richtig gut arbeiten. Manche der Unterpunkte verstehst du nicht auf Anhieb, andere musst du gänzlich auslassen. Wenn dich das nervös macht, nimm dir bei jedem Unterpunkt die Zeit, solange tief zu atmen, bis du bereit bist, den nächsten unvoreingenommen anzusehen. Nach einiger Zeit stellst du fest, dass du bereits so viele Beispiele gerechnet hast, dass du problemlos positiv bist. Sieh dir an, was das mit dir macht. Wie das letzte bisschen Nervosität aus deinem Körper weicht, wie erleichtert du bist. Wende dich jetzt den übrigen Beispielen zu, auch den Unterpunkten, die du bislang nicht rechnen konntest. Bemerke, dass du jetzt, weil du so entspannt und erleichtert bist, auch die restlichen Beispiele rechnen kannst. Vielleicht bleibt das eine oder andere übrig, aber was soll's? Du bist längst positiv! Gib die Matura nun ab und verlasse den Raum. Atme solange ruhig und tief weiter, bis die Euphorie, die Zentralmatura oder Berufsreifeprüfung endlich bestanden zu haben, abgeflutet ist. Dann öffne wieder die Augen und streck dich.

 

Das Ziel dieser Übung ist vor allem, die Nervosität und Angst zu verringern, die üblicherweise bei Prüfungen auftritt. Der Mechanismus ist, dass das Gehirn Neues immer als gefährlich einstufen muss. Wir haben jahrtausendelang überlebt, indem wir nicht zu der großen, flauschigen Mietzekatze mit Überbiss kuscheln gegangen sind, sondern erstmal herausgefunden haben, was sie denn so frisst. (Vielleicht gab's mal wen, der kuscheln gegangen ist, aber es gibt einen Grund, weswegen keine Nachfahren davon existieren...) Wenn wir eine Situation schon öfter erlebt haben und es kein negatives Erlebnis war, kann das Gehirn sie als ungefährlich einstufen und wird in der tatsächlichen Situation auch nicht den Notaus-Knopf betätigen. Das Gehirn unterscheidet praktischerweise nicht zwischen real und eingebildet, genauso, wie es dir glaubt, wenn du dir einredest oder einreden hast lassen, dass du etwas nicht schaffen wirst. Folglich kannst du jede Situation hunderte Male im Voraus erleben, um sie dann beim einzig realen Durchlauf entspannt und erfolgreich zu meistern. Damit kannst du dann alles, was du gelernt hast auch tatsächlich abrufen und kriegst auch keine Panik, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.

 

Was tun, wenn du dir wieder einmal denkst, dass du es nicht schaffen kannst? Wisch den Gedanken weg, pack ihn in einen Ballon und lass ihn aufsteigen, sei trotzig und sag dir "das werden wir ja sehn". Denk dran, wie oft du umgefallen bist als Kind und wie problemlos du jetzt gehen und laufen kannst. Das ist der Beweis dafür, dass du schaffen kannst, was am Tag zuvor noch unmöglich für dich war.

Da Mentaltraining jedoch auch nur Training ist, wird die Übung mit jeder Wiederholung ihre Wirksamkeit steigern. Diese Imaginationsübung funktioniert übrigens nicht nur für die Zentralmatura oder Berufsreifeprüfung, sondern natürlich auch für jede andere Schularbeit oder Prüfung.

 

Mentaltraining ist übrigens nicht der heilige Gral, der dir garantiert, Prüfungen beim ersten Antritt zu schaffen. Er ist der heilige Gral, der dir garantiert, dass du - egal ob du es schaffst oder nicht - wahnsinnig viel aus der Situation mitnimmst und dass sich deine Chancen zu bestehen drastisch erhöhen. Warum? Weil du schon gesiegt hast, bevor du hingegangen bist.

 

Im Leistungssport stellen sich alle Wettkämpfer*innen vor, zu gewinnen - nur einer davon schafft es. Jede*r andere geht geschlagen aus dem Wettkampf und bereitet sich unverzüglich auf den nächsten vor. Jede*r weiß jetzt besser, wo noch Schwächen sind, wie die Stärken noch besser auszubauen sind, worauf es genau ankommt. Die Wettkampfsituation ist nichts anderes, als eine Überprüfung, wo man gerade steht. Mit Mentaltraining (und guter Vorbereitung) wirst du die meisten Prüfungen in deinem Leben auf Anhieb bestehen. Manche jedoch werden dir zeigen, dass dir noch Wissen fehlt oder du etwas falsch oder nicht ausreichend verstanden hast. Auch das ist gut und vor allem wichtig. Eine verhaute Prüfung macht dich ausdauernder, kritikfähiger, wissbegieriger und vor allem klüger. Du weißt jetzt, wie sie abläuft, worauf es ankommt, welches Wissen oder Können dir noch gefehlt hat. Damit ist es - egal wie es ausgeht - ein positives Erlebnis, das zu deinem Selbstwert und Selbstbewusstsein beiträgt.

 

Wenn du jedoch von Anfang an in deine Prüfungen gehen kannst, mit dem Wissen, dass du alles hast, was es benötigt, um sie zu bestehen und dass es keinen Grund gibt, sie nicht zu bestehen, hast du den Grundstein für eine bestandene Prüfung gelegt. Wir wissen, du hast dich gut vorbereitet und wir wissen, dass du's schaffen kannst. Jetzt musst du nur noch beginnen, selbst an dich zu glauben.